Gefälschte Waren auf chinesischen E-Commerce-Plattformen: Rechtliche Rahmenbedingungen und praktische Strategien zum Schutz geistigen Eigentums

Einleitung

Chinesische E-Commerce-Plattformen wie Alibaba, Taobao und Pinduoduo haben sich in den vergangenen Jahren zu zentralen Umschlagplätzen des weltweiten Handels entwickelt. Mit Millionen von täglich aktiven Käuferinnen und einem schier endlosen Angebot an Produkten sind diese Marktplätze ein attraktiver Ort für Unternehmen, die global expandieren möchten. Doch dieselben Faktoren, die diese Plattformen so attraktiv machen—die große Reichweite, einfache Einstiegsbarrieren für Verkäuferinnen und schnelle Logistik—begünstigen auch das Aufkommen gefälschter Waren.

Für Unternehmen, die erhebliche Ressourcen in Forschung und Entwicklung, Marketing und Markenaufbau investiert haben, ist die Verbreitung von Fälschungen ein schwerwiegendes Problem. Diese gefälschten Produkte gefährden nicht nur die wirtschaftlichen Erträge, sondern auch den guten Ruf einer Marke. Dennoch existieren in China rechtliche und administrative Instrumente, um gegen diese Verletzungen des geistigen Eigentums (IP) vorzugehen—vorausgesetzt, man verfolgt eine durchdachte und systematische Strategie.

Ziel dieses Artikels ist es, darzulegen, welche Schritte Unternehmen unternehmen können, um ihre IP-Rechte in China proaktiv zu schützen. Dabei beleuchten wir verschiedene Maßnahmen: von der Anmeldung von Markenrechten und Patenten über das Monitoring und das Melden von Verstößen auf den Plattformen bis hin zur Zusammenarbeit mit Behörden wie Zoll- und Marktaufsichtsbehörden. Abschließend wird darauf eingegangen, wie wichtig Markenstärkung und Verbraucheraufklärung sind, um die Nachfrage nach Fälschungen langfristig zu reduzieren.


Bedeutung des geistigen Eigentums

Unter geistigem Eigentum (englisch Intellectual Property, IP) versteht man Schutzrechte an immateriellen Gütern wie Erfindungen, Marken und kreativen Werken. In einem Marktumfeld wie dem chinesischen E-Commerce, das sehr groß und kompetitiv ist, kann ein angemessener IP-Schutz über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

  1. Markenrechte (Trademarks)
    Eine Marke—sei es ein Name, Logo oder Slogan—hilft Konsumentinnen, die Produkte eines Unternehmens zu identifizieren. Werden Marken ohne Erlaubnis genutzt, führt dies zu Verwechslungen, beschädigt das Vertrauen der Kundinnen und kann das Image eines Unternehmens nachhaltig beeinträchtigen. Bei Fälschungen kann die schlechte Qualität des Plagiats die Reputation der Originalmarke schädigen.
  2. Patente
    Ein Patent verleiht dem/der Inhaber*in das exklusive Recht, eine spezifische Erfindung zu produzieren, zu nutzen und zu vertreiben. Dies hat große Bedeutung für Unternehmen, die hohe Beträge in Forschung und Entwicklung investieren. Werden Patente verletzt, drohen Verluste durch Kopien und Nachbauten, die unter Umständen zu sehr niedrigen Preisen angeboten werden. In bestimmten Branchen (etwa Technologie oder Medizinprodukte) ist ein effektiver Patentschutz unverzichtbar, um die Innovationskraft zu bewahren.
  3. Urheberrechte (Copyrights)
    Urheberrechtliche Schutzmechanismen betreffen kreative Werke wie Texte, Bilder, Musik, Software oder Design. Für Unternehmen kann dies z. B. Produktfotos, Marketingmaterialien oder Literatur betreffen. Eine formelle Registrierung in China kann den Durchsetzungsprozess beschleunigen und erleichtern, wenn es zu Verletzungen kommt—etwa wenn Produktabbildungen ohne Erlaubnis genutzt werden.

Letztlich ist ein zuverlässiger IP-Schutz auch ein Vertrauensfaktor für Konsument*innen. Wer sichergehen möchte, Originalware zu erwerben, verlässt sich auf Marken- und Qualitätssignale. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, diese Aspekte zu wahren und eventuelle Verstöße frühzeitig und konsequent zu bekämpfen.


Der chinesische E-Commerce-Markt: Chancen und Schutzmaßnahmen

Der Onlinehandel in China verfügt über eine Vielzahl an Plattformen und unglaubliche Umsatzzahlen. Dies bedeutet große Chancen für ausländische Unternehmen, aber auch ein erhöhtes Risiko für Fälschungen. Bemerkenswert ist, dass viele chinesische Plattformen durchaus eigene IP-Programme und Richtlinien anbieten. Doch die Wirksamkeit dieser Programme hängt entscheidend davon ab, wie aktiv und gründlich ein Unternehmen seine Rechte anmeldet und Verstöße meldet.

  • Breite Kund*innenbasis: Plattformen wie Alibaba oder Pinduoduo erschließen Millionen potenzieller Abnehmer*innen.
  • Effiziente Tools: Die Plattformen stellen umfangreiche Zahlungs- und Logistiklösungen bereit, sodass Produkte schnell an Kund*innen in aller Welt geliefert werden können.
  • IP-Schutzprogramme: Die namhaften Marktplätze bieten zunehmend Tools, über die Rechteinhaber*innen Rechtsverletzungen melden können.

Unternehmen, die ihre Produkte auf chinesischen Plattformen vertreiben (oder deren Produkte dort auftauchen), sollten vor allem zwei Fragen klären: Wie melde ich meine Rechte in China an? Und wie gehe ich gegen Verstöße vor?


Proaktive Maßnahmen: Anmeldung und Monitoring

1. Markenanmeldung in China

China folgt dem Grundsatz „First to File“, was bedeutet, dass diejenigen, die zuerst ein Markenzeichen anmelden, auch die Rechte daran erhalten. Wer also plant, sein Produkt auf dem chinesischen Markt zu präsentieren oder dort produzieren zu lassen, sollte die Marke frühzeitig registrieren.

  • Verschiedene Sprachvarianten: Es ist ratsam, nicht nur das lateinische Markenzeichen, sondern auch eine mögliche chinesische Übersetzung oder Umschrift anzumelden, damit sie nicht von Dritten „gekapert“ wird.
  • Dokumentation: Grundlage einer jeden Markenanmeldung sind Dokumente wie der Firmenregisterauszug, Nachweise über bisherige Markennutzung etc.

2. Patentanmeldungen

Wer über innovative Produkte, besondere Designs oder eine technische Neuerung verfügt, sollte erwägen, in China Patentschutz zu beantragen. Zu den gängigen Patentformen zählen:

  • Erfindungspatent (Invention Patent)
  • Gebrauchsmuster (Utility Model)
  • Designpatent (Design Patent)

Die Patentregistrierung vereinfacht die Rechtsdurchsetzung im Falle von Nachahmungen erheblich, da die Gerichte in China in der Regel einen Nachweis über ein gültiges chinesisches Patent verlangen, bevor sie Maßnahmen gegen Fälscher veranlassen.

3. Urheberrechtsanmeldung

Während das Urheberrecht in vielen Ländern automatisch entsteht, kann eine formelle Eintragung in China hilfreich sein, um Verletzungen rasch zu ahnden. Für Unternehmen können das geschützte Bilder, Texte, Designs oder Software sein. Die offizielle Registrierung erleichtert die Beweisführung und beschleunigt mitunter das Vorgehen gegen unautorisierte Nutzungen.

4. Laufendes Monitoring

Damit Rechte nicht nur auf dem Papier bestehen, ist die aktive Überwachung der Plattformen unabdingbar.

  • Automatisierte Tools: Mit Keyword- und Bildsuche lassen sich Anhaltspunkte für Fälschungen finden.
  • Manuelle Stichproben: Regelmäßige manuelle Kontrollen sind hilfreich, um potenzielle Umgehungstatiken (etwa alternative Schreibweisen des Markennamens) zu erkennen.
  • Testkäufe: Um Beweise für tatsächliche Fälschungen zu sammeln, kann es ratsam sein, verdächtige Produkte zu kaufen und deren Echtheit zu überprüfen.

Vorgehen bei Verstößen auf den Plattformen

1. IP-Schutzprogramme

Die meisten großen chinesischen E-Commerce-Plattformen verfügen über spezielle Portale, über die Rechteinhaber*innen Verstöße melden können. Häufig läuft dies wie folgt ab:

  1. Registrierung: Die Rechteinhaber*innen legen ein Konto im IP-Portal der Plattform an und belegen ihre Marken-, Patent- oder Urheberrechte mit Urkunden und Dokumenten.
  2. Meldung von Rechtsverletzungen: Bei Entdeckung eines verdächtigen Angebots wird über das Portal ein „Takedown Request“ eingereicht. Hier sollte man detaillierte Nachweise (Screenshots, Verlinkungen, Kopien von Registrierungszertifikaten etc.) beifügen.
  3. Prüfung und Entfernung: Das interne Team der Plattform prüft den Sachverhalt und entfernt das Angebot, wenn eine Rechtsverletzung plausibel ist. Wiederholungstäter*innen werden in manchen Fällen sogar komplett ausgeschlossen.

2. Fortlaufende Beobachtung und erneute Meldungen

Nach einer erfolgreichen Löschung bleibt das Problem oft, dass Fälscher schnell neue Accounts oder leicht abgewandelte Listings anlegen. Daher ist eine fortlaufende Kontrolle unumgänglich, um wiederholte Verstöße konsequent zu unterbinden.


Alternative Maßnahmen: Abmahnung, Gerichts- und Verwaltungsverfahren

Sollten Meldungen auf der Plattform nicht zum gewünschten Ergebnis führen—beispielsweise bei hartnäckigen Fälschern oder groß angelegten Marken- und Patentrechtsverletzungen—stehen weitere rechtliche Schritte zur Verfügung.

1. Abmahnungen

Oft ist es sinnvoll, zunächst eine formelle Abmahnung (Cease-and-Desist Letter) an den/die mutmaßlichen Verletzer*in zu senden.

  • Inhalt: Darstellung der verletzten Rechte, eindeutiger Nachweis der eigenen IP-Anmeldung, Aufforderung, das Verhalten sofort einzustellen.
  • Wirkung: Viele Verkäufer*innen ziehen sich zurück, sobald ihnen eine solche Abmahnung zugeht und sie die Ernsthaftigkeit der Situation erkennen.

2. Zivilrechtliche Klagen

Wenn eine Abmahnung oder eine Takedown-Anfrage nicht ausreicht oder wenn der Schaden erheblich ist, bietet sich eine zivilrechtliche Klage in China an.

  • Beweislast: Notwendig sind u. a. die Nachweise über die Rechtsverletzung (Kopien der gefälschten Produkte, Screenshots der Online-Angebote, Herkunftsnachweise etc.).
  • Mögliche Ergebnisse: Gerichte können Schadensersatz zusprechen, Unterlassungsanordnungen erlassen und in schweren Fällen sogar strafrechtliche Verfolgung empfehlen (etwa bei bandenmäßigem oder groß angelegtem Fälschungshandel).

3. Verwaltungsrechtliches Vorgehen

Unternehmen können sich auch an die lokalen Marktaufsichtsbehörden (Administration for Market Regulation, AMR) wenden. Diese Behörden haben Befugnisse zu:

  • Razzien und Beschlagnahmungen
  • Bußgeldern
  • Geschäftsschließungen

Zwar fallen die Entschädigungen hier oft geringer aus als bei einer zivilrechtlichen Klage, doch kann das behördliche Verfahren erheblich schneller gehen und sofortige Maßnahmen ermöglichen.


Zollregistrierung: Schutz an den Grenzen

Eine oft unterschätzte, aber sehr effektive Methode zur Eindämmung von Fälschungen ist das Registereintragungsverfahren beim chinesischen Zoll (General Administration of Customs, GAC). Dadurch können gefälschte Produkte bereits an den Grenzen Chinas abgefangen werden.

  1. Anmeldung
    Man lässt seine Markenzeichen oder Patente beim Zoll registrieren. Dafür sind detaillierte Informationen über das Design, die Verpackung und sonstige Erkennungsmerkmale der Originalwaren einzureichen.
  2. Grenzbeschlagnahme
    Stößt der Zoll auf eine Lieferung, die im Verdacht steht, gefälscht zu sein, nimmt er Kontakt mit dem/der IP-Inhaber*in auf. Dieser muss bestätigen, dass es sich tatsächlich um eine Fälschung handelt.
  3. Konsequenzen
    Bei Bestätigung des Verdachts kann der Zoll die Waren beschlagnahmen oder vernichten. Ein solches Vorgehen bewahrt den Markt in- und außerhalb Chinas davor, mit groß angelegten Fälschungslieferungen überschwemmt zu werden.

Zusammenarbeit mit Plattformen und Behörden

1. Partnerschaften mit Plattformen

Große Markenunternehmen gehen vermehrt proaktiv auf Plattformen wie Alibaba zu, um engere Kooperationen zu etablieren.

  • Daten- und Informationsaustausch: Detaillierte Produktdaten zu Originalwaren erleichtern der Plattform das frühzeitige Erkennen von Kopien mithilfe von Bild- und Texterkennung.
  • Sensibilisierung: Plattformen und Marken können gemeinsame Kampagnen starten, die Konsument*innen darin schulen, echte von gefälschten Produkten zu unterscheiden.

2. Zusammenarbeit mit AMR und Strafverfolgungsbehörden

Je nachdem, wie umfangreich die Fälschungsaktivitäten sind, kann eine enge Abstimmung mit lokalen Behörden erforderlich sein. Die Schließung von Produktionsstätten oder Lagern, in denen Fälschungen hergestellt bzw. aufbewahrt werden, benötigt klare Beweise, die oft nur der Rechteinhaber liefern kann.


Maßnahmen gegen Lieferketten und Importeure

Fälschungen aus China tauchen häufig in anderen Ländern auf. Daher ist es sinnvoll, die gesamte Lieferkette in den Blick zu nehmen.

  • Identifizierung von Importeuren: Gelangen Fälschungen in großen Mengen in bestimmte Länder, können rechtliche Schritte gegen die dort ansässigen Importeure effektiv sein.
  • Handel und Einzelhandel informieren: Verteilerketten, Großhändler und Shops müssen sensibilisiert werden; viele möchten nicht bewusst gefälschte Ware verkaufen.
  • Schulungen von Logistikunternehmen: Speditionen und Paketdienste können anhand von Leitfäden lernen, wie sie verdächtige Lieferungen erkennen und melden.

Stärkung der Marke und Verbraucheraufklärung

Neben rechtlichen Schritten ist es entscheidend, das eigene Markenprofil zu festigen und Kund*innen für die Merkmale echter Produkte zu sensibilisieren.

  1. Konsistente Markenidentität
    Ein klarer Markenauftritt (Logo, Verpackungsdesign, Farb- und Formgebung) hilft, dass Konsument*innen Originalsiegel schnell erkennen können.
  2. Echtheitsnachweise
    Hologramme, QR-Codes, NFC-Tags oder andere Sicherheitsmerkmale können auf Verpackungen integriert werden. Beim Einscannen sehen Käufer*innen etwa eine Bestätigung, dass das Produkt echt ist.
  3. Informationskampagnen
    Über Social Media, Blogs und traditionelle Medien lässt sich erklären, warum Kopien oft von minderer Qualität sind, möglicherweise unsicher oder gesundheitsgefährdend, und warum Kund*innen Garantie- und Serviceleistungen nur beim Originalhersteller erhalten.
  4. Arbeit mit Influencer*innen
    In China üben Influencer, häufig als Key Opinion Leader (KOL) bezeichnet, enormen Einfluss auf Kaufentscheidungen aus. Eine Kooperation kann dazu beitragen, die Bekanntheit und das Vertrauen in echte Produkte zu erhöhen und das Publikum hinsichtlich Fälschungen zu schulen.

Die Notwendigkeit einer langfristigen IP-Strategie

Die Fälschungsproblematik ist nicht mit einzelnen Maßnahmen zu bewältigen. Stattdessen benötigen Unternehmen eine kontinuierliche und anpassungsfähige Strategie:

  • Regelmäßige IP-Review: Marken-, Patent- und Urheberrechtsportfolios müssen aktualisiert und gepflegt werden, damit sie nicht verfallen.
  • Tech-Update: Neue Techniken der Fälscher erfordern flexible Monitoring- und Identifizierungsmethoden (z. B. erweiterte Bildsuche).
  • Mitarbeiterschulung: Rechtsteams und Produktmanager*innen sollten über den neuesten Stand der IP-Gesetze und typischen Fälschertricks informiert sein.
  • Externe Beratung: Kanzleien oder Expert*innen mit Spezialisierung auf chinesisches IP-Recht können helfen, komplizierte Verfahren zu beschleunigen und effektiv zu gestalten.

Fazit

Chinas E-Commerce-Markt bietet enorme Vertriebsmöglichkeiten, steht jedoch im Ruf, ein Nährboden für Fälschungen zu sein. Unternehmen, die hier aktiv werden, sollten ihre geistigen Eigentumsrechte umfassend schützen und kontinuierlich durchsetzen. Nur eine durchdachte, mehrstufige Strategie—angefangen bei der formalen Anmeldung der IP-Rechte, über proaktives Monitoring und Meldung von Verstößen bis hin zu enger Zusammenarbeit mit Plattformen und Behörden—kann langfristig die Verbreitung von Fälschungen eindämmen.

Darüber hinaus lohnt es sich, in die Markenbildung und Aufklärung der Verbraucherinnen zu investieren: Je mehr Konsumentinnen den Wert und die Erkennungsmerkmale eines Originals verstehen, desto weniger lukrativ wird der Markt für Plagiate. Wer damit rechtzeitig und konsequent beginnt, wird nicht nur finanziell profitieren, sondern auch die Reputation seiner Marke nachhaltig stärken—eine Voraussetzung für den Erfolg auf einem der größten digitalen Handelsplätze der Welt.